"Jüdisches Leben in Düren darf nicht in Vergessenheit geraten!"
Geschichtskurs-Aktion:
„Jüdisches Leben in Düren darf nicht in Vergessenheit geraten!“
Umbenennung der Bushaltestelle „Binsfelder Straße“ in „Jüdischer Friedhof“
Wer von der Binsfelder Straße aus mit den Buslinien 230 oder 298 fährt, wer in der Binsfelder Straße wohnt oder dort beim Spazierengehen vorbeikommt, der kennt sie: die Bushaltestelle „Binsfelder Straße“. Was die meisten Menschen hier in Düren und Umgebung vermutlich nicht wissen: Direkt neben der Haltestelle in Richtung ZOB befindet sich ein jüdischer Friedhof. Es ist der Friedhof der jüdischen Gemeinde, die jahrhundertelang in Düren zu Hause war. Der alte Friedhof war von der heutigen Arnoldsweilerstraße in die Binsfelder Straße verlegt worden. Bereits seit über 130 Jahren gibt der jüdische Friedhof hier nun den Toten der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Düren die ewige Ruhestätte. Das älteste Grab stammt aus dem Jahr 1888, das jüngste aus dem Jahr 2000.
Im Jahr 2021 stehen wir mit unserem Wissen über die Geschehnisse während des Nationalsozialismus an einem Übergang: Immer weniger Zeitzeugen leben noch und wir können immer seltener direkte Erzählungen und Berichte von Zeugen hören. Immer mehr sind wir zur Bewahrung des Gedächtnisses auf Expertenwissen angewiesen. Die Weitergabe der Informationen über die mehr als 80 Jahre zurückliegende NS-Vergangenheit durch Dritte bekommt so tragende Bedeutung: Nicht nur die Historiker*innen im Großen, sondern auch die Historiker*innen im Kleinen, also z. B. wir „Geschichtsinformierte“, tragen Verantwortung für das „Bestücken“ des kollektiven Gedächtnisses unserer Gesellschaft. Hilfreich im Alltag - auch in unserer Stadt Düren - an die Geschehnisse während der NS-Zeit zu erinnern und eine Auseinandersetzung mit ihnen anzuregen, sind dabei nicht zuletzt „Erinnerungspunkte“: Denkmale - z. B. die Rückriem-Stelen, Stolpersteine, aber auch Namen von Straßen, Plätzen oder eben Bushaltestellen in der Stadt …
Die Schüler*innen der Projektgruppe des Q2-Grundkurses Geschichte aus dem vergangenen Schuljahr waren der Ansicht, dass jeder wissen sollte, was in der Zeit des Nationalsozialismus, im Besonderen während des zweiten Weltkriegs, mit den Juden geschehen ist: Juden wurden diskriminiert, verhaftet und in Konzentrationslagern eingesperrt, wo sie unter elenden, mörderischen Bedingungen Sklavenarbeit leisten mussten. Viele der Gefangenen starben auch an Krankheiten und Hunger. Doch damit nicht genug. Es wurden Gaskammern errichtet, in denen - neben anderen Gruppen - etwa sechs Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder „industriell“ umgebracht wurden. Auf den Grabstellen der hinteren Reihen des jüdischen Friedhofs an der Binsfelder Straße finden sich z. T. Inschriften, die auf Deportation und Ermordung in der Shoa auch vieler Juden aus Düren hinweisen.
Der jüdische Friedhof ist Ruhestätte der dort beerdigten jüdischen Menschen. Er ist aber auch Erinnerung an die Dürener mit jüdischem Glauben: an jüdisches Leben in Düren allgemein und an ihr Leiden während der NS-Zeit. Der Friedhof wird in der Denkmalliste der Stadt Düren geführt und kann z. B. mit einer Führung besucht werden.
Zu Beginn des letzten Jahres haben die Schülerinnen und Schüler des Grundkurses Geschichte der Q2 diese Führung gemacht und einen anschaulichen und persönlichen Einblick in die Geschichte nehmen können. In Unterrichtsgesprächen entwickelten sie das Anliegen, an die jüdischen Mitbürger unserer Stadt zu erinnern. Die Jugendlichen und ihre Lehrerin wollten nicht zulassen, dass jüdische Geschichte und, damit untrennbar verbunden, auch die gemeinsame Dürener Geschichte der jüngeren Vergangenheit in Vergessenheit gerät. Sie vertreten den Standpunkt, dass es in unser aller Verantwortung liegt, der Dürener Juden und des Unrechts, das ihnen angetan wurde, zu gedenken. Aus dem Wunsch, selbst Verantwortung zu übernehmen und Erinnerung wachzuhalten, entstand der Plan, sich dafür einzusetzen, die Bushaltestelle „Binsfelder Straße“, die direkt neben dem jüdischen Friedhof liegt, umzubenennen in „Jüdischer Friedhof“. Ein schriftlicher Antrag wurde entworfen, erläutert und begründet, überarbeitet und auf den Weg gebracht. Ohne großen bürokratischen Aufwand gaben Kreis Düren und Rurtalbus den Antrag frei. Seit Inkrafttreten des neuen Fahrplans mit dem Jahreswechsel 2021 bietet die umbenannte Bushaltestelle „Jüdischer Friedhof“ nun einen kleinen Anstoß, sich mit der Dürener Geschichte auseinanderzusetzen.